Pressestimmen zu „Mondpunk“
von FAZ, Norbert Krampf, am 7.3.2011
Ein Ankläger macht Mut
Die engagierte Band „Strom und Wasser“ rüttelt auf im „Bett“.
„Es wachsen die Mauern wie giftige Pflanzen, nur wächst das Bedauern leider nicht mit“ stellt Heinz Ratz in einem Song fest; an anderer Stelle erklärt er ironisch: „die meisten Dinge auf der Welt sehn einfach besser aus, wenn man sie falschrum hält.“ Der Sänger, Texter und nachdenkliche Kopf der Band Strom und Wasser hat Humor, macht aber keinesfalls nur Spaß. Vielmehr zeigt er mit scharfer Beobachtung und unerbittlicher Konsequenz bekannte und weniger offensichtliche Tendenzen einer Gesellschaft auf der schiefen Bahn. Dabei ist Ratz kein Kabarettist, bleibt dem Songformat verbunden, besonders auf den CDs von Strom und Wasser. Die Bühne nutzt er indes auch als Plattform, um zwischen den Liedern zu erzählen, was sein waches Bewusstsein umtreibt.
Im Rahmen der Tournee „Lauf gegen die Kälte“ zugunsten von Obdachlosen lief Heinz Ratz 2008 zu Fuß von Konzert zu Konzert, im Jahr darauf schwamm er von Lindau nach Kiel, um mit der Tour „Die Lee(h)re der Flüsse“ Geld für regionale Artenschutzprojekte zu sammeln. Nun sitzt Ratz auf dem Fahrrad, hat schon rund 40 Konzerte hinter sich und ebenso viele Heime für Asylsuchende gesehen. Diesen kommen die Einnahmen der aktuellen „Tour der 1000 Brücken“ zugute. Zur Moral des Aktivisten aus Kiel gehört, nicht nur über Missstände zu wettern, sondern aktiv an ihrer Verbesserung mitzuwirken. Er besucht die Heime, spricht mit den flüchtigen Menschen, lädt sie zu seinen Konzerten ein, versucht Begegnungen zu fördern, die normalerweise kaum stattfinden. Heinz Ratz kümmert sich und berichtet alsbald auf der Bühne, was er in den „Lagern“ gesehen und gehört hat. Es wird eine längere Erzählung, die ohne aufgesetztes Pathos Nachdenklichkeit bis Beklemmung bei den Zuhörern auslöst. So steht Ratz auf sehr persönliche Art in der Tradition reisender Troubadoure, die einst dem Volk auf dem Marktplatz Geschehnisse aus anderen Teilen des Landes vortrugen; gleichzeitig ist er ein provozierender Till Eulenspiegel für alle, die es sich im westlichen Lebensstil bequem gemacht haben.
Einige Male weht der Geist der legendären Polit-Rocker „Ton, Steine, Scherben“ durch das Konzert im gut besuchten „Bett“, zumal die knarzig-kraftvolle Raustimme von Heinz Ratz besonders in „Glückliches Lied“ an Rio Reiser erinnert. Auch in der reduzierten Trio-Besetzung mit Pianist Enno Dugnus und Perkussionist Claudio Spieler kann Strom und Wasser Dynamik erzeugen, vor allem durch treibende Rhythmen und Ratz‘ energiegeladenen Vortrag. Dugnus‘ ausgefuchste Stakkatos und fließenden Läufe auf dem E-Piano changieren zwischen Chanson- und Jazz-Ideen, für besonders wuchtige Momente wechselt er zum Orgelsound. Ebenso effizient wie raffiniert entlockt Claudio Spieler dem Cajon gleichzeitig Basstrommel- und „Snaredrum“-Klänge, verdichtet Beats mit Bongos, Conga, Kuhglocke und einigen Becken. Dazu pendelt Ratz auf der fünfsaitigen akustischen Bassgitarre zwischen lockeren Grooves und knalligen Riffs.
Natürlich klingt das aktuelle Album „Mondpunk“ opulenter und variabler, immerhin spielten im Studio auch E-Gitarre und Saxophon, Flöte und Cello, Marimba und Schlagzeug mit. In voller Besetzung alterniert Strom & Wasser lässig von Latin-Schwung zum Underdog-Blues eines Tom Waits, verbindet Ska-Rasanz und Punk-Anarchie souverän mit Zwischentönen. Das CD-Booklet sorgt für Beachtung der bissigen Texte; auf der Bühne stehen sie, nicht nur dank Ratz‘ Stimmgewalt, ohnehin im Mittelpunkt. Mal gnadenlos direkt, mal lakonisch zieht der Moritatensänger über Gier und Verlogenheit her, beschränkt sich aber nicht nur auf die Rolle des grimmigen Anklägers. In manch aufmunterndem Song vermittelt er auch Herzenswärme und entschlossene Lebensfreude.