Förderpreisträger der Liederbestenliste 2007
Strom & Wasser sind die Förderpreisträger der Liederbestenliste 2007. Aus der Begründung der Jury: „Elektrisierend und erfrischend, im Zusammentreffen eine explosive Mischung.“ Der Liederpreis wird jedes Jahr von der Liederbestenliste mit Unterstützung von der Musikzeitschrift Folker! vergeben.
www.folker.de, 11/2007
Konstantin Wecker schreibt in der aktuellen Ausgabe der Musikzeitschrift Folker! über Heinz Ratz/Strom & Wasser dazu:
„Ist Heinz Ratz ein „dunkler Dichter“, wie er sich in seinem Gedicht „Der Absturz“ beschreibt, ein stürzender Ikarus, der den Himmel, den er nicht mehr Himmel nennen mag, in Stücke brechen will? Oder zeigt er uns etwas vom Himmel in seiner schaurig-schönen Poesie, am Abgrund aller guten Gründe?
Ich glaube, er ist ein verzweifelt Hoffender, der sich ins Absurde rettet, der noch grinst, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, weil ihm da die besten Verse einfallen. Und er wäre nicht so kämpferisch, wenn er nicht voller Hoffnung wäre auf eine gerechtere Welt, er würde sich nicht so einmischen, wenn ihm der Zustand unserer Gesellschaft egal wäre, auch und gerade weil er das ohne Zeigefinger macht. Und wie er sich einmischt! Er singt auch da, wo’s wehtut, in Clubs, die jeden Moment damit rechnen müssen, von rechtsradikalen Hohlköpfen aufgemischt zu werden, und er wird auch dann nicht plakativ und polemisch. Bei all seiner Begabung zum zynischen Gestus, ich spüre immer wieder aus seinen Texten, wie er die Menschen liebt, manchmal denk‘ ich sogar, dass er das nicht nur vor uns, sondern auch vor sich selbst nicht so recht zugeben will.
Ab und zu mailt er mir neue Gedichte – er scheint aus einer nicht versiegenden Quelle zu schöpfen –, und nie habe ich das Gefühl, dass er sich erschöpft oder wiederholt. Sein einziges Problem als Autor ist: Er kann anscheinend keine schlechten Gedichte schreiben. Selbst, wenn mich ein Thema mal nicht so anspricht, es ist immer eine überraschende Wendung, ein gelungenes Bild dabei, das den Text lesenswert und anrührend macht. Das ist manchmal qualitativ – im positiven Sinne – so meilenwert entfernt von den Werken mancher wohlmeinender Kollegen, dass man sich fragt, ob der Mann nicht von einem anderen Stern kommt. Oder aus einem anderen Jahrhundert. So neu seine musikalische Gestaltung, seine Art aufzutreten ist, so unmodern und zeitlos ist er in seiner Reimkunst. Wer Kästner liebt hat seine helle Freude an Ratz. Der innere Rhythmus seiner Lieder holpert nie, ist stilsicher und schreit regelrecht nach Vertonung. Die steht oft scheinbar im Widerspruch zu den Texten, und das macht die Songs von Strom & Wasser gerade deshalb so eindringlich. Obwohl sich Heinz hemmungslos aller möglichen musikalischen Stile bedient, schafft er es, unverkennbar Ratz zu bleiben. Ist es seine Stimme, die nicht allzu wandelbar ist, aber immer authentisch und manchmal ganz schön unter die Haut geht? Ist es seine ganz und gar unkonventionelle Behandlung des E-Basses, den er eher wie ein Melodieinstrument einsetzt, denn als musikalisches Fundament?
Die Presse schreibt zu Recht von ihm als einem begnadeten Bühnentalent, vor allem, weil er auch aus einem nicht zu versiegen scheinenden Fundus an Geschichten zu schöpfen vermag, Geschichten, die er nie gleich, aber immer klug formuliert zu erzählen versteht. Die Offenheit, mit der er mit seiner schweren Krankheit umgeht, ist atemberaubend. Kein weinerlicher Ton ist in diesen Erzählungen, fast schon erschrecken sie den Zuhörer durch ihre klare Analyse. Dabei bleibt Heinz Ratz immer poetisch, ohne ein Grundprinzip der Poesie aus den Augen zu verlieren: verschiedene Wirklichkeiten zu verknüpfen und keine gegen die andere auszuspielen, Gegensätze zu provozieren, um sie darauf wieder miteinander auszusöhnen, und bunt und vielfältig zu sein und differenziert, wo die so genannte Realität schwarz-weiß denkt und moralisiert.
Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann schreibt: „Die Kunst ist nicht der Ort, an dem das Außergewöhnliche passiert, sondern an dem das in jeder Hinsicht Unzulängliche Ereignis werden kann.“ Ein Ort also, in dem durch die ästhetische Darstellung etwas aufleuchtet, was die Unzulänglichkeit, die Begrenztheit und die Unvollkommenheit unseres Handelns und Denkens übersteigt. Heinz Ratz ist vielleicht deshalb so ein wichtiger Künstler, weil bei ihm dieses Goethe’sche Unzulängliche zum Ereignis wird. Er macht sich und uns keine große Kunst vor, und ist gerade deshalb ein großer Künstler. Seit ich ihn entdeckt habe, mach‘ ich mir keine allzu großen Sorgen mehr um die Zunft der deutschsprachigen Liedermacher.“